15. Dezember 2001
Nachdem es weder auf dem Gipfel von Amsterdam (1997) noch auf dem von Nizza (2000) gelungen war, die notwendigen Weichen zu stellen, um die Europäische Union fit für die Zukunft zu machen, soll auf dem Gipfel von Laeken (Belgien) endlich eine Lösung gefunden werden, wie man Europa fit für die Zukunft machen kann. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beschließen, den Konvent zur Zukunft Europas einzuberufen. Angesichts der bevorstehenden Erweiterung und der zunehmenden Kluft zwischen „Brüssel“ und den Bürgerinnen und Bürgern soll dieser Vorschläge für eine umfassende Reform der Europäischen Union erarbeiten.
In der Erklärung von Laeken (pdf-Download, ca. 30 KB) erhält der Konvent hierfür eine Reihe von Leitfragen vom Europäischen Rat mit auf den Weg: Wie kann man die Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten sinnvoller verteilen? Wie lassen sich die Handlungsinstrumente der Union und die derzeitigen Verträge vereinfachen? Wie kann man die Union demokratischer, transparenter und effizienter gestalten?
28. Februar 2002
Am 28. Februar 2002 nimmt der Konvent zur Zukunft Europas unter dem Vorsitz des ehemaligen französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing seine Arbeit auf. Die 105 Mitglieder des Konvents und ihre Vertreter kommen während der folgenden 16 Monate ein- oder zweimal pro Monat zu einer zwei- bis dreitägigen Plenartagung in den Räumen des Europäischen Parlaments in Brüssel zusammen. Gleichzeitig mit diesen Treffen finden Arbeitsgruppen statt, in denen sich die Mitglieder des Konvents mit spezifischen Themen beschäftigen.
Die Sitzungen des Konvents sind öffentlich und auch die offiziellen Dokumente werden öffentlich gemacht, vor allem über das Internet. Auf einer eigens eingerichteten Website werden weitere Beiträge zur Debatte über die Zukunft der Europäischen Union veröffentlicht. Darüber hinaus finden Anhörungen statt, auf denen die so genannte Zivilgesellschaft (z.B. Gewerkschaften, Hochschulen, Arbeitgeberverbände, Nichtregierungsorganisationen) ihre Positionen und Vorschläge präsentieren kann.
13. Juni 2003
Der Konvent einigt sich im Konsens auf einen Verfassungsentwurf, der offiziell den komplizierten Titel „Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für Europa“ trägt.
20. Juni 2003
Auf dem Gipfel von Thessaloniki legt der Konventspräsident Valéry Giscard d’Estaing den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten den Verfassungsentwurf des Konvents vor. Hier ein Ausschnitt aus seiner zu diesem Anlass gehaltenen Rede:
"Kyrie Proethre, sehr geehrte Mitglieder des Europäischen Rates!
Seit der Tagung des Europäischen Rates in Sevilla vor genau einem Jahr habe ich Ihnen, wie in der Erklärung von Laeken vorgesehen, auf jeder Tagung mündlich über den Stand der Beratungen des Konvents zur Zukunft Europas Bericht erstattet. Heute möchte ich Ihnen nun das Endergebnis der Arbeit des Konvents vorlegen. Ich freue mich, Ihnen ein Dokument unterbreiten zu können, das keine Optionen enthält, ein einheitliches Dokument mit dem Entwurf eines Verfassungsvertrags für Europa, wie es die Mitglieder des Konvents seit Aufnahme ihrer Beratungen gewünscht hatten. Das Dokument wurde auf der letzten Plenartagung des Konvents am 13. Juni mit breitem Konsens angenommen. [...]“
10. Juli 2003
Der Konvent zur Zukunft Europas kommt noch einmal in Brüssel zusammen, um letzte Punkte im Teil III des Verfassungsentwurfs zu klären und die endgültige Version zu verabschieden.
Oktober 2003
Ab Oktober 2003 tagt die Regierungskonferenz, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Regierungen, der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments zusammensetzt. Sie sollen auf der Grundlage des vom Konvent vorgelegten Textes einen Verfassungstext erarbeiten, dem alle EU-Mitgliedstaaten zustimmen können.
13. Dezember 2003
Da sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten in bestimmten Punkten (z.B. Größe der Kommission, Stimmengewichtung im Ministerrat) nicht auf einen Kompromiss einigen können, wird die Verabschiedung der Verfassung für Europa vorerst auf unbestimmte Zeit verschoben.
1. Mai 2004
Der Tag der großen Erweiterung: Zehn neue Mitgliedstaaten treten der Europäischen Union bei.
18. Juni 2004
Nach zähem Ringen um neue Kompromisse wird die Verfassung für Europa von den Staats- und Regierungschefs der nunmehr 25 EU-Mitgliedstaaten endlich angenommen. Dieser Erfolg ist nach Meinung vieler Beobachter vor allem dem Verhandlungsgeschick der irischen EU-Ratspräsidentschaft zuzuschreiben. Dieser gelang es nach zahlreichen bilateralen Gesprächen, für alle Mitgliedstaaten annehmbare Kompromissvorschläge vorzulegen.
29. Oktober 2004
Während eines feierlichen Festaktes im Konservatorenpalast in Rom unterzeichnen die Staats- und Regierungschefs sowie die Außenminister der 25 EU-Mitgliedstaaten die Verfassung für Europa. In den Monaten davor war der Verfassungstext juristisch geprüft und in alle 21 Amtssprachen der Europäischen Union übersetzt worden.
11. November 2004
Der Ratifizierungsprozess beginnt: Litauen ratifiziert mit einer überwältigenden Mehrheit des Parlaments als erster Mitgliedstaat der Europäischen Union die Verfassung für Europa.
20. Februar 2005
Spanien hält als erster EU-Mitgliedstaat ein Referendum über die Verfassung für Europa ab. 77 % der spanischen Wahlberechtigten sprechen sich für die Verfassung aus.
12. und 27. Mai 2005
Der Deutsche Bundestag stimmt mit 569 zu 23 Stimmen für die Ratifizierung der Verfassung. Knapp zwei Wochen später, am 27. Mai spricht sich auch der Bundesrat für die Annahme der Verfassung aus.
29. Mai 2005
Das Referendum in Frankreich scheitert. Eine Mehrheit von knapp 55 % der Franzosen stimmt gegen die Ratifizierung der Verfassung für Europa.
01. Juni 2005
Auch in den Niederlanden findet sich keine Mehrheit für die Verfassung für Europa. Hier sprechen sich 61,6 % der Wahlberechtigten gegen die Annahme der Verfassung aus. Zu diesem Zeitpunkt haben neun EU-Mitgliedstaaten die VERFASSUNG FÜR EUROPA auf parlamentarischem Wege ratifiziert.
16./17. Juni 2005
Nach dem Scheitern der Referenden in Frankreich und den Niederlanden scheint die Europäische Union in einer Krise zu stecken. Das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am 16./17. Juni 2005 in Brüssel soll einen Weg aus der Krise zeigen.
Man beschließt, eine „Denkpause“ einzulegen und den Ratifizierungsprozess bis Mitte 2007 zu verlängern. Daraufhin verschieben sieben Mitgliedstaaten ihre geplante Referenden bzw. parlamentarischen Abstimmungen über die Verfassung für Europa auf unbestimmte Zeit. Die Staats- und Regierungschefs werden erst wieder 2006 zusammenkommen, um über den Stand der Ratifizierung zu beraten und weitere Entscheidungen über die Verfassung zu treffen.
In der Zwischenzeit soll die Europäischen Kommission den „Plan D“ starten. Ziel ist es, mit den Bürgerinnen und Bürgern einen Kommunikationsprozess über gemeinsame Werte, Ziele und die Grenzen der EU zu starten, um mehr Akzeptanz und Legitimation von Seiten der Bevölkerung für das europäische Projekt zu erhalten (Abschlusserklärung des Gipfels von Brüssel).
10. Juli 2005
Luxemburg hat an seinem Zeitplan zur Ratifizierung der Verfassung für Europa festgehalten. Das Referendum am 10. Juli fällt positiv aus: 56,5 % der Wahlberechtigten stimmen für die Ratifizierung der Verfassung.
13. Oktober 2005
Die Europäische Kommission startet den so genannten Plan D, wobei D für Demokratie, Dialog und Diskussion steht. Ziel ist es, in den kommenden Monaten in den Mitgliedstaaten eine tief greifende öffentliche Debatte über die Zukunft Europas anzustoßen, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Europäische Union wieder zu gewinnen.
Dabei haben sich vor allem die Mitgliedstaaten verpflichtet, dieses Debatten anzuregen. Die Kommission wird nur unterstützend tätig und schlägt eine ganze Reihe von Initiativen vor. Hierzu gehören u.a. ein umfangreiches Besuchsprogramm der Kommissare, die Unterstützung von Bürgerprojekten, mehr Transparenz bei Sitzungen des Ministerrates sowie die Zusammenarbeit mit „Europäischen Goodwill-Botschaftern“. Nach dem Vorbild der Sonderbotschafter der Vereinten Nationen sollen diese bei Veranstaltungen, Workshops und öffentlichen Diskussionen über bestimmte europäische Themen (z.B. Bildung, Forschung und Entwicklung, Wahlbeteiligung) aktiv werden und für mehr Öffentlichkeit sorgen.
Ein erstes Feedback über den Verlauf der nationalen Debatten soll es im April 2006 geben.
Mitteilung der Europäischen Kommission zum Plan D (pdf-Download, ca. 214 KB)