Das Projekt

Zweifellos ist die Europäische Verfassung besser geordnet und deutlich kürzer als die derzeit gültigen EU-Verträge, in deren Dschungel sich wohl nur Experten wirklich zurechtfinden. Dennoch macht auch die Europäische Verfassung nicht vor juristischen Ausdrücken Halt. Und mit ihren 448 Artikeln kann man sie keinesfalls als „übersichtlich“ bezeichnen.

Was liegt das näher, als einen Kommentar zu schreiben, der in einfacher und verständlicher Sprache den Inhalt der Europäischen Verfassung erklärt, sie kritisch analysiert und kommentiert und sie auf diese Weise mit Leben füllt?

Das fragten sich im Dezember 2002 die beiden Initiatoren des Projekts „EU-Verfassungskommentar“, Carsten Berg und Georg Kristian Kampfer und sie beschlossen, die historische Chance des Entstehens einer Europäischen Verfassung zu nutzen, um den Bürgerinnen und Bürgern die europäischen Idee näher zu bringen und sie über ihre Rechte und die Funktionsweise der Bürgervertretung in Europa zu informieren.

Große Unterstützung für ihre Idee fanden sie bei den Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland (JEF), einem überparteilichen und europaweit organisierten Jugendverband, der sich für die Interessen junger Menschen in der europäischen Politik einsetzt und seit über 50 Jahren für ein demokratisches, bürgernahes und föderales Europa eintritt.

Die JEF führt mit dem Projekt „EU-Verfassungskommentar“ eine über zehnjährige Tradition fort: Hatte sie doch bereits zu den Revisionen der europäischen Verträge in Maastricht (1992), Amsterdam (1997) und Nizza (2000) Kommentierungen veröffentlicht.

Als Unterstützer für die 1. Auflage konnte auch der Deutsche Bundesjugendring gewonnen werden. Als Arbeitsgemeinschaft von bundesweit tätigen Jugendverbänden und der Landesjugendringe bildet er ein starkes Netzwerk und trug mit seiner Entscheidung, den Taschenkommentar „Verfassung für Europa“ als Sonderauflage herauszubringen, ganz wesentlich zum Erfolg des Projektes bei.

Eine Ausschreibung in den Reihen der JEF brachte eine überraschende Vielzahl an Bewerbungen, aus denen letztlich 23 junge Autorinnen und Autoren ausgewählt wurden, Beiträge für den Taschenkommentar „Verfassung für Europa“ zu schreiben.

Im April 2003 wurde zudem eine 15-köpfige Redaktion gegründet. Ihre Aufgabe bestand vor allem darin, das Autorenteam zu betreuen und „Nebenprojekte“ rund um das Thema „Europäische Verfassung“ umzusetzen.

Zum Austausch und zur Diskussion der ersten Textentwürfe fand im September 2003 in Berlin eine gemeinsame Klausurtagung von Autoren/Autorinnen und der Redaktion statt. Diese wurde in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bundesjugendring und dem Deutschen Nationalkomitee für internationale Jugendarbeit (DNK) von der Redaktion organisiert.


Foto: Florian Ziegenbalg
Plenum auf der Klausurtagung

Im Mittelpunkt der zweitägigen Tagung standen die Autorinnen und Autoren, die die Gelegenheit erhielten, ihre Texte zu präsentierten und mit den anderen Teilnehmenden zu diskutieren.

Begleitet wurde das Treffen von mehreren Experten aus Politik, Wissenschaft und Medien. Unter anderem nahmen die ehemaligen Konventsmitglieder Professor Jürgen Meyer und MdB Peter Altmaier, der Brüsseler Korrespondent der Süddeutschen Zeitung Christian Wernicke, der Politologe Professor Wolfgang Wessels (Universität Köln), der Referatsleiter Europapolitik des Bundesfinanzministeriums Dr. Andreas Hermes sowie Daniel Göler als Vertreter des Instituts für Europäische Politik an der Veranstaltung teil.

Sie beantworteten noch offene Fragen, diskutierten umstrittene Themen mit den Teilnehmenden und halfen so, den Verfassungstext und damit auf die Texte des Taschenkommentars mit Leben zu füllen.


Foto: Florian Ziegenbalg
Expertenforum mit Christian Wernicke, Peter Altmaier, MdB,
sowie Dr. Andreas Hermes

Bewaffnet mit Verbesserungsvorschlägen, aktuellen Informationen und neuer Motivation kehrten die Autorinnen und Autoren am Ende des Wochenendes nach Hause zurück. Ihnen blieben zwei Monate Zeit ihre Texte zu überarbeiten und die neuesten Entwicklungen einzuarbeiten. Doch gerade diese neuen Entwicklungen brachten das Buchprojekt im Dezember 2003 fast zum Stillstand.

Eigentlich sollten die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten am 12./13. Dezember 2003 auf dem Gipfel in Rom den endgültigen Text der „Verfassung für Europa“ verabschieden. Doch da man sich über eine Reihe strittiger Punkte nicht einigen konnte, wurde dieser Beschluss auf vorerst unbestimmte Zeit verschoben.

Aus der kleinen Weihnachtsfeier der Redaktion wurde unverhofft eine Krisensitzung. Wie sollte es weitergehen? Sollte man das Erscheinen des Taschenkommentars wie die Verabschiedung des Verfassungstext auch auf unbestimmte Zeit verschieben? Sollte statt des Kommentars zur EU-Verfassung ein Kommentar zum Verfassungsentwurf des Konvent erscheinen?

Letztlich entschieden alle Beteiligten, am Zeitplan zur Fertigstellung des Taschenkommentars festzuhalten. Und so erschien im Frühjahr 2004 beim W. Bertelsmann Verlag die 1. Auflage von „Verfassung für Europa – Der Taschenkommentar für Bürgerinnen und Bürger“ – erweitert um zwei einführende Texte, die die Leserinnen und Leser über die jüngsten Ereignisses informierten.

Mit der Entscheidung, zunächst einen Kommentar zum Verfassungsentwurf des Konvents zu veröffentlichen, war eine 2. Auflage des Taschenkommentars zu einem späteren Zeitpunkt eigentlich schon vorprogrammiert. Diese sollte dann den endgültigen Verfassungstext erklären und kommentieren.

Als sich im Juni 2004 eine Einigung der Staat- und Regierungschefs über die strittigen Punkte in der Europäischen Verfassung abzeichnete, begannen langsam die konkreteren Planungen für die 2. Auflage des Taschenkommentars. Mit der feierlichen Unterzeichnung des Verfassungstextes durch die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten und ihre Außenminister am 29. Oktober 2004 in Rom lag dann auch endlich der endgültige Text der Verfassung für Europa und damit die wichtigste Arbeitsgrundlage für die Autorinnen und Autoren vor.

Als Unterstützer für die 2. Auflage konnte die Europa-Union Deutschland gewonnen werden. Sie ist eine unabhängige und politische Nichtregierungsorganisation, die seit 1946 für eine weitreichende europäische Integration eintritt und deren Jugendverband die Jungen Europäischen Föderalisten sind.

Konzentrierte sich die 1. Auflage auf die Erklärung und Kommentierung des ersten Teils der Verfassung, wurde die 2. Auflage um die für die Bürgerinnen und Bürger so wichtige EU-Grundrechtecharta sowie die Allgemeinen und Schlussbestimmungen, also Teil II und IV der Europäischen Verfassung, erweitert. Außerdem erleichtern ein Glossar und ein Stichwortverzeichnis den Leserinnen und Lesern die Arbeit mit dem Taschenkommentar.

Und natürlich ist die Ratifizierung der Europäischen Verfassung ein wichtiges Thema! Schließlich kann die Verfassung für Europa nicht in Kraft treten, bevor nicht alle EU-Mitgliedstaaten sie ratifiziert haben.

Doch auch bei der 2. Auflage überschlugen sich in der Endphase vor dem Druck des Buches wieder die Ereignisse: die zwei negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden, das positive Referendum in Luxemburg, nicht zu vergessen eine Reihe von Ratifizierungen auf parlamentarischem Wege ... Bis zur letzten Sekunde wurde das Buchmanuskript deshalb aktualisiert.

Nun liegt die 2. Auflage von „Verfassung für Europa – Der Taschenkommentar für Bürgerinnen und Bürger“ endlich vor. Und dies „genau zur rechten Zeit“, wie Peter Altmaier, Bundestagsabgeordneter und ehemaliges Konventsmitglied, meint. Nach den gescheiterten Referenden in Frankreich und Niederlanden waren die Europäische Verfassung und die europäische Integration in aller Munde. Gleichzeitig sind viele Menschen verunsichert – nicht nur über die Inhalte der Verfassung für Europa.

Gerade deshalb ist es wichtig, über die Europäische Union zu informieren und zu diskutieren - darüber, weshalb die Verfassungsreferenden in zwei Gründungsstaaten der EU gescheitert sind, wie es jetzt weitergehen soll und wie die gegenwärtige Krise der Europäischen Union überwunden werden kann. Dazu kann der Taschenkommentar einen wichtigen Beitrag leisten. Aber auch alle am Projekt Beteiligten werden sich weiterhin an der Diskussion über die Zukunft Europas engagieren. Das Projekt endet also nicht mit dem Erscheinen der 2. Auflage des Taschenkommentars, sondern wird weitergehen.